Polyamorie auf dem Prüfstand: Mythen und Wahrheiten über die Mehrfachliebe
Polyamorie, oft auch als offene Beziehung oder Mehrfachliebe bezeichnet, ist eine alternative Form der Beziehungsgestaltung, die in den letzten Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen hat. Trotz wachsender Akzeptanz und öffentlichem Interesse gibt es jedoch immer noch viele Missverständnisse und Vorurteile gegenüber poly lebenden Menschen. In diesem Blogpost werden wir einige der häufigsten Mythen über Polyamorie entlarven und die Realität hinter diesen Vorurteilen beleuchten. Von der Annahme, dass Polyamorie nur Betrug mit Erlaubnis sei, bis hin zu dem Vorurteil, dass polyamore Menschen bindungsunfähig seien - wir werden diese Mythen kritisch hinterfragen und aufklären. Lass uns gemeinsam einen Blick auf die Wahrheit und Vielfalt von Polyamorie werfen und die gängigen Vorurteile entlarven.
- “Polyamorie ist Betrügen mit Erlaubnis”
- “Das ist doch egoistisch”
Ein weiteres Vorurteil gegenüber Polyamorie ist die Annahme, dass es egoistisch sei, mehrere Partner*innen gleichzeitig zu haben. Tatsächlich kann Polyamorie eine Form von Beziehung sein, die auf Fürsorge, Empathie und Kompromissbereitschaft basiert. Menschen in polyamoren Beziehungen streben danach, die Bedürfnisse und Gefühle aller Beteiligten zu berücksichtigen und eine unterstützende Gemeinschaft aufzubauen. Es geht nicht um Egoismus, sondern um das Streben nach authentischen Verbindungen und emotionaler Erfüllung.
- “Die sind doch alle bindungsunfähig”:
Ein verbreitetes Vorurteil gegenüber Menschen in polyamoren Beziehungen ist die Annahme, dass sie bindungsunfähig seien oder Schwierigkeiten hätten, tiefe emotionale Bindungen einzugehen.
Es ist wahr, dass beim Wechsel von der Monogamie zur Polyamorie Bindungsstörungen zutage treten können. Dies liegt jedoch nicht an der Nicht-Monogamie als solcher und auch nicht an den diese praktizierenden Menschen, sondern daran, dass Monogamie ein äußeres Gerüst bietet, das viel Stabilität vorgaukelt, welche über vorhandene Bindungsprobleme hinwegtäuschen kann.“Wenn wir uns auf die Struktur unserer Beziehung verlassen [...], laufen wir Gefahr etwas zu vergessen. Nämlich, dass sichere Bindung ein gelebter Ausdruck dessen ist, wie wir beständig aufeinander reagieren und uns aufeinander einstimmen, und nicht etwas, das durch Struktur und Hierarchie geschaffen wird.” (Jessica Fern: Polysecure, S.148, Kapitel: Bindung und Nicht-Monogamie)
- “Wer nicht monogam lebt, ist emotional nicht verfügbar”:
Here - Hier, körperlich und geistig anwesend sein
Expressed Delight - Ausdruck von Begeisterung
Attunement - Einstimmung aufeinander
Rituals and Routines - Rituale und Routinen
Turning Towards after Conflict - Hinwendung nach einem Konflikt
Secure Attachement with Self - sichere Bindung mit sich selbst
(Jessica Fern: Polysecure, S.203, Kapitel: Der Schlüssel zum Herzen des polysecure-Seins)
Manchmal werden Menschen in polyamoren Beziehungen mit bestimmten Stereotypen in Verbindung gebracht. Es ist wichtig zu betonen, dass Polyamorie von Menschen verschiedener Hintergründe und Lebensstile praktiziert wird. Die Vielfalt innerhalb der Poly-Community zeigt, dass Polyamorie keine spezifische Gruppe von Menschen anspricht, sondern eine breite Palette von Individuen umfasst, die ihre eigenen einzigartigen Beziehungsdynamiken gestalten. Dabei scheinen sich häufig mehrfach marginalisierte Personen im Poly-Bereich wiederzufinden. Alyssa Gonzalez schreibt aus neurodivergenter Perspektive: “Wir müssen uns klein halten, maskieren, in einer Rolle verschwinden und versuchen, die neurotypischen Partner*innen zu sein, die unser*e Geliebte*r verlangt, denn wir sind seltsame Entdeckungen, oder? Etwas Besseres als das zu erwarten wäre töricht. In der Mainstream-Gesellschaft werden seltsame Menschen trotz, nicht wegen ihrer Seltsamkeit geliebt. Aber es muss nicht so sein. Polyamorie bietet einen überraschenden Ausweg. Vielleicht ist es äußerst selten, eine*n Seelenverwandte*n zu finden, der*die perfekt zu jedem Teil von uns passt, aber eine Person zu finden, mit der wir uns gut fühlen und der*die unsere Gesellschaft auf weniger umfassende Weise genießt, ist normalerweise nicht schwer. In einem polyamoren Modell haben wir die Freiheit, Erfüllung für die verschiedenen Teile von uns in unterschiedlichen Beziehungen zu finden - jede mit ihren eigenen Parametern, jede mit ihrem eigenen individuellen Bindungslevel. Indem wir ein ganzes Netzwerk aus Liebe, Kamerad*innenschaft und Fürsorge aufbauen, gewinnen wir die Fähigkeit, unser gesamtes Selbst zu verkörpern und die Intimität zu erleben, von der die monogame Welt denkt, dass sie uns viel mehr kosten solle. Der monogame Druck, eine Beziehungsperson zu finden und um jeden Preis festzuhalten, unter Androhung, niemals wieder eine solche Intimität zu erleben, existiert einfach nicht. Wir müssen nicht der*die perfekte Partner*in für eine andere Person sein. Wir können einfach wir selbst sein und diejenigen, die das richtig bezaubernd finden, können kommen und gehen, wie es uns und ihnen gefällt.Du kannst so seltsam sein, wie dein neurodivergenter Geist es verlangt und du wirst niemals zu viel sein. Das ist das Schöne daran, weder zu erwarten, alles für eine Person zu sein, noch selbst dieser Erwartung zu unterliegen.” (Alyssa Gonzalez: Neurodiversität und Nicht-Monogamie; JETZT BESTELLBAR)