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Polyamorie auf dem Prüfstand: Mythen und Wahrheiten

Polyamorie auf dem Prüfstand: Mythen und Wahrheiten über die Mehrfachliebe


Polyamorie, oft auch als offene Beziehung oder Mehrfachliebe bezeichnet, ist eine alternative Form der Beziehungsgestaltung, die in den letzten Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen hat. Trotz wachsender Akzeptanz und öffentlichem Interesse gibt es jedoch immer noch viele Missverständnisse und Vorurteile gegenüber poly lebenden Menschen. In diesem Blogpost werden wir einige der häufigsten Mythen über Polyamorie entlarven und die Realität hinter diesen Vorurteilen beleuchten. Von der Annahme, dass Polyamorie nur Betrug mit Erlaubnis sei, bis hin zu dem Vorurteil, dass polyamore Menschen bindungsunfähig seien - wir werden diese Mythen kritisch hinterfragen und aufklären. Lass uns gemeinsam einen Blick auf die Wahrheit und Vielfalt von Polyamorie werfen und die gängigen Vorurteile entlarven.


  • “Polyamorie ist Betrügen mit Erlaubnis”
Dieses Vorurteil ist weit verbreitet und kann dazu führen, dass Polyamorie als unehrlich oder unethisch angesehen wird. Ein häufiges Missverständnis über Polyamorie ist, dass es sich lediglich um Betrug handelt, der unter dem Deckmantel der Erlaubnis stattfindet. In Wirklichkeit basiert Polyamorie jedoch auf Ehrlichkeit, Offenheit und Einvernehmlichkeit. Im Gegensatz zum Betrug geht es bei Polyamorie darum, authentische Beziehungen zu führen, die auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt beruhen. Tatsächlich sind andere Begriffe für Polyamorie ‘ethische Nicht-Monogamie’ und ‘konsensuelle Nicht-Monogamie’, was auf die Transparenz und Kommunikationsfähigkeit verweist, die zum Gelingen einer poly-Beziehung notwendig sind. Natürlich gibt es auch in nicht-monogamen Beziehungen Vertrauensbrüche; der wichtige Unterschied ist aber, dass ‘Sex mit anderer Person’ nicht gleich ‘Cheating’ ist. Zudem sind auch tiefe emotionale Bindungen mit mehreren Personen möglich; eine enge Freund’innenschaft wird so viel seltener als Bedrohung der Partner*innenschaft wahrgenommen als in unserer mononormativen Gesellschaft üblich. Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass es auch innerhalb der polyamoren Szene ganz viele unterschiedliche Lebens- und Liebensmodelle gibt. So leben manche Personen solo poly oder beziehungsanarchistisch - also nicht in primären Beziehungen, sondern als einzelner Knoten in einem großen Beziehungsnetz. In solchen Fällen kann wohl vom klassischen ‘Betrug’ gar nicht mehr die Rede sein.
  • “Das ist doch egoistisch”

 

Ein weiteres Vorurteil gegenüber Polyamorie ist die Annahme, dass es egoistisch sei, mehrere Partner*innen gleichzeitig zu haben. Tatsächlich kann Polyamorie eine Form von Beziehung sein, die auf Fürsorge, Empathie und Kompromissbereitschaft basiert. Menschen in polyamoren Beziehungen streben danach, die Bedürfnisse und Gefühle aller Beteiligten zu berücksichtigen und eine unterstützende Gemeinschaft aufzubauen. Es geht nicht um Egoismus, sondern um das Streben nach authentischen Verbindungen und emotionaler Erfüllung.

 

  • “Die sind doch alle bindungsunfähig”:

Ein verbreitetes Vorurteil gegenüber Menschen in polyamoren Beziehungen ist die Annahme, dass sie bindungsunfähig seien oder Schwierigkeiten hätten, tiefe emotionale Bindungen einzugehen.

Es ist wahr, dass beim Wechsel von der Monogamie zur Polyamorie Bindungsstörungen zutage treten können. Dies liegt jedoch nicht an der Nicht-Monogamie als solcher und auch nicht an den diese praktizierenden Menschen, sondern daran, dass Monogamie ein äußeres Gerüst bietet, das viel Stabilität vorgaukelt, welche über vorhandene Bindungsprobleme hinwegtäuschen kann.
 

“Wenn wir uns auf die Struktur unserer Beziehung verlassen [...], laufen wir Gefahr etwas zu vergessen. Nämlich, dass sichere Bindung ein gelebter Ausdruck dessen ist, wie wir beständig aufeinander reagieren und uns aufeinander einstimmen, und nicht etwas, das durch Struktur und Hierarchie geschaffen wird.” (Jessica Fern: Polysecure, S.148, Kapitel: Bindung und Nicht-Monogamie)


  • “Wer nicht monogam lebt, ist emotional nicht verfügbar”:
Ein weiteres Vorurteil besagt, dass Menschen in polyamoren Beziehungen emotional nicht verfügbar seien oder Schwierigkeiten hätten, sich auf eine Partnerschaft einzulassen. Dieses Vorurteil ignoriert jedoch die Tatsache, dass Menschen in polyamoren Beziehungen genauso emotional präsent sein können wie in monogamen Beziehungen. Durch offene Kommunikation und ehrlichen Austausch können Menschen in polyamoren Beziehungen tiefe emotionale Verbindungen aufbauen und pflegen. Hilfreich ist an dieser Stelle ein Blick auf Jessica Ferns HEARTS-Modell zum Führen bindungsbasierter ethischer nicht-monogamer Beziehungen: 


    Here - Hier, körperlich und geistig anwesend sein
    Expressed Delight - Ausdruck von Begeisterung
    Attunement - Einstimmung aufeinander
    Rituals and Routines - Rituale und Routinen
    Turning Towards after Conflict - Hinwendung nach einem Konflikt
    Secure Attachement with Self - sichere Bindung mit sich selbst

    (Jessica Fern: Polysecure, S.203, Kapitel: Der Schlüssel zum Herzen des polysecure-Seins)

    Manchmal werden Menschen in polyamoren Beziehungen mit bestimmten Stereotypen in Verbindung gebracht. Es ist wichtig zu betonen, dass Polyamorie von Menschen verschiedener Hintergründe und Lebensstile praktiziert wird. Die Vielfalt innerhalb der Poly-Community zeigt, dass Polyamorie keine spezifische Gruppe von Menschen anspricht, sondern eine breite Palette von Individuen umfasst, die ihre eigenen einzigartigen Beziehungsdynamiken gestalten. Dabei scheinen sich häufig mehrfach marginalisierte Personen im Poly-Bereich wiederzufinden. Alyssa Gonzalez schreibt aus neurodivergenter Perspektive: “Wir müssen uns klein halten, maskieren, in einer Rolle verschwinden und versuchen, die neurotypischen Partner*innen zu sein, die unser*e Geliebte*r verlangt, denn wir sind seltsame Entdeckungen, oder? Etwas Besseres als das zu erwarten wäre töricht. In der Mainstream-Gesellschaft werden seltsame Menschen trotz, nicht wegen ihrer Seltsamkeit geliebt. Aber es muss nicht so sein. Polyamorie bietet einen überraschenden Ausweg. Vielleicht ist es äußerst selten, eine*n Seelenverwandte*n zu finden, der*die perfekt zu jedem Teil von uns passt, aber eine Person zu finden, mit der wir uns gut fühlen und der*die unsere Gesellschaft auf weniger umfassende Weise genießt, ist normalerweise nicht schwer. In einem polyamoren Modell haben wir die Freiheit, Erfüllung für die verschiedenen Teile von uns in unterschiedlichen Beziehungen zu finden - jede mit ihren eigenen Parametern, jede mit ihrem eigenen individuellen Bindungslevel. Indem wir ein ganzes Netzwerk aus Liebe, Kamerad*innenschaft und Fürsorge aufbauen, gewinnen wir die Fähigkeit, unser gesamtes Selbst zu verkörpern und die Intimität zu erleben, von der die monogame Welt denkt, dass sie uns viel mehr kosten solle. Der monogame Druck, eine Beziehungsperson zu finden und um jeden Preis festzuhalten, unter Androhung, niemals wieder eine solche Intimität zu erleben, existiert einfach nicht. Wir müssen nicht der*die perfekte Partner*in für eine andere Person sein. Wir können einfach wir selbst sein und diejenigen, die das richtig bezaubernd finden, können kommen und gehen, wie es uns und ihnen gefällt.
    Du kannst so seltsam sein, wie dein neurodivergenter Geist es verlangt und du wirst niemals zu viel sein. Das ist das Schöne daran, weder zu erwarten, alles für eine Person zu sein, noch selbst dieser Erwartung zu unterliegen.” (Alyssa Gonzalez: Neurodiversität und Nicht-Monogamie; JETZT BESTELLBAR)

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